Zu den Figurenbildern
von H.-J. BERGMANN
"Bilder sind Arbeitsfelder mit ganz
eigenen Gesetzen,
in denen der Maler eine Zone seines Bewusstseins gestalten muss. Diese
folgt
nicht den gleichen Gesetzen, wie die in Raum und Zeit geordnete Welt
der
Wirklichkeit" schrieb H.-J. BERGMANN in einem Text anlässlich
einer
Ausstellung im Rahmen der "Stadtkunst" Köln. Seine Themen
kreisen um exemplarische Einzelschicksale, vor allem aber um
Zweier-und Gruppen- beziehungen. Bilder wie "Floß",
"Atelier", "Maler, Modell, Tisch" oder "Emigranten", belegen dies.
Es geht H.-J. Bergmann nicht um bloße Beschreibung, sondern
um künstlerische Verdeutlichung und Auseinandersetzung mit
Realitätserfahrung.
Die Maßstäbe, die er dabei anlegt, richten sich
nicht nach
"objektiven" Gesetzen, wie einem dreidimensional angelegten Bildraum,
einer natürlichen Farbigkeit oder
einer eindeutigen Bildhandlung. Sie sind
vielmehr in der Subjektivität des Malers begründet.
Der Betrachter
muss sich
dem ohne Vorbedingung aussetzen.
H.-J. Bergmanns Figurenauffassung geht trotz aller Verfremdung und
verkürzender
Formelhaftigkeit vom sinnlichen Erlebnis aus. Ihm kommt eine
Schlüsselfunktion
zu. Figuren, Fragmente und Gegenstände sind stets eindeutig
definiert, auch
wenn dies meist durch die Linie geschieht. Die Art der figurativen und
kompositorischen Konzentration begünstigt auch die
Farbigkeit der Bilder. Die großen Formate überlassen
dem Maler weite Flächen,
die sowohl vielfältige malerische Strukturen
ermöglichen, als auch die
Gesamtkomposition eben in
diese Flächigkeit einbinden.
Auf diese Weise findet H.-J. Bergmann zu oft überraschender
kompositorischer
Geschlossenheit. Komplementär gesetzte Farbfelder finden ihre
Entsprechung in
eckigen Kompositionsmustern. Beide gestehen dem Betrachter keine
interesselose
Neutralität zu, sondern fordern seine unmittelbare Reaktion in
einen Zustand erhöhter Wachheit und Aufnahmebereitschaft.
Ohne Zweifel ist die zwischenmenschliche und gesellschaftliche
Entfremdung, die
Einsamkeit des Menschen, das Grundthema H.-J. Bergmanns. Den
Sänger Orpheus überfällt das Gefühl
der
endgültigen Zerstörung des
paradiesischen Friedens, den er mit seinem Gesang
herbeiführte.
Adam, die Inkarnation des Mannes schlechthin, erkennt in einer riesigen
Seifenblase
den Körper einer Frau. Im Augenblick der
Berührung wird die Illusion zerplatzen. Ein Mann
sitzt in einem Boot und rudert
mit einem funktionslosen, abgebrochenen Ruder. -"Narrenboot".
Es
fällt schwer in
H.-J. Bergmanns Bildern einen privaten von einem gesellschaftsbezogenen
Bereich abzugrenzen. Beide gehen ineinander über, sind
geradezu
ineinander
verzahnt. Insbesondere in den komplexen Bildstrukturen erscheint
dennoch häufig
eine Figur, die einen Fluchtpunkt im Gefüge der
Komposition
darstellt. Formale Logik bleibt jedoch weithin ausgeschlossen.
An dieser Stelle klärt sich nun auch der Rückgriff
auf die Welt des Mythos.
Dieser sei definiert als ein Bezug auf ein Wertesystem, über
das nicht mehr
verhandelt werden muss, das demnach eine Welt vor der
Aufklärung darstellt.
"Der Mythos", so schrieb Ernst Cassirer, "kennt noch nicht jenen
Schritt zwischen "Realem" und "Irrealem", zwischen
"Wirklichkeit" und "Schein", wie ihn die rein theoretische
Objektivierung vollzieht, und wie sie ihn notwendig vollziehen muss....
Das
jeweilig gegebene Phänomen hat hier nirgends den Charakter
bloß
stellvertretender Repräsentation, sondern den Charakter echter
Präsens: ein
Seiendes und Wirkliches steht in ihm in voller "Gegenwart" da, statt
sich nur durch dasselbe zu
"vergegenwärtigen".
In H.-J. Bergmanns Bildern leben Fragmente der Realität und
des Scheins und der
erdachten Möglichkeiten in einer mythischen Symbiose. Es
werden jedoch keine
"fertigen" Geschichten erzählt, sondern der Betrachter bleibt
aufgefordert, seine eigene Persönlichkeitsstruktur, sein
persönliches Erleben
und die eigene Erlebnisfähigkeit als Bindeglied in die
Interpretation der
Bilder mit einzubringen.
Uwe Haupenthal (Kunsthistoriker)
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